Cosmo, 6 Monate

Cosmo wurde am 9. Februar 2005, wenige Tage vor wieder, mit Monitoren, Gepiepse und Gebimmel und Cosmo im Inkubator, voller Kabel und Elektroden. Da die Ärzte anfangs von einer Unreife des Atemzentrums ausgingen, hatte Cosmo nur eine Atemhilfe und wurde bei Bedarf stimuliert, sprich gekitzelt oder ähnliches. Ich weiss noch wie der diensthabende Arzt uns über den möglichen weiteren Werdegang informierte und uns eröffnete, dass Cosmo gegebenenfalls beatmet werden müsse. Mein erster Gedanke war „darf das denn sein, wenn ein Mensch nicht alleine atmen kann, dann kann er doch nicht leben!“

Nach ca. 5 Tagen war er dann so kaputt, dass auch das Stimulieren nichts mehr half und er intubiert werden musste – wir haben fast darum gebeten, weil wir nicht mehr mit ansehen konnten wie er sich dahinschleppte, aber auch niemals mehr auf die Idee gekommen wären, dass er nicht sein könne, ob nun beatmet oder nicht!

Nun waren wir zwar frischgebackene Eltern, aber irgendwie auch nicht, denn unser Kind war eigentlich in den Händen von Ärzten und Schwestern und wir mussten uns in die Abläufe und Gepflogenheiten der Station einfinden. Immer mussten wir fragen und um Erlaubnis bitten, bzw. unseren Platz an Cosmos Bett räumen wegen Übergaben. Mit unserem Sohn wurden unzählige Untersuchungen gemacht, die aber jedes Mal ohne Befund waren, was gleichzeitig Freud und Leid war. Am Ende habe ich jedes Mal gehofft endlich einen Befund zu bekommen, nur um eine Erklärung für all dies Leid zu haben! Nach zwei Wochen des Hinhaltens von Seiten der Ärzte haben wir dann um ein Gespräch beim Chefarzt gebeten, wo dann das erste Mal von Undine-Syndrom die Rede war. Natürlich hatten wir uns längst im Internet selbst informiert und waren deshalb vorbereitet.

Cosmo war 6 Wochen auf der Neonatologie des Rudolf-Virchow-Klinikums in Berlin. Rückblickend würde ich sagen, dass die Ärzte und Schwestern dort alles in Ihrer Macht stehende für ihn getan haben. Nichtsdestotrotz hat uns die Informationspolitik, wie sie nun mal leider in Unikliniken üblich ist, an den Rand der Verzweiflung gebracht. Zum Glück gab es dort aber eine hervorragende Elternberatung, die uns zwar inhaltlich nicht weiterhelfen konnte, jedoch wichtigen Beistand gegeben hat.

Als durch Ausschlussdiagnostik klar war, dass Cosmo während der Schlafphasen dauerhaft beatmet werden müsse, haben wir auf Verlegung in den Lindenhof (Kinderklinik des Oskar-Ziehten-Krankenhauses in Berlin-Lichtenberg) gedrängt. Die ITS dort ist aus einem Modellprojekt für dauerbeatmete Kinder hervorgegangen. Sowohl Ärzte als auch Schwestern sind mehr als erfahren mit Beatmung und Heimbeatmung – ein Segen! Auch wenn der Übergang von der einen zur anderen Klinik noch einmal ein Kraftakt war (wieder ein komplettes Team auf das wir uns neu einstellen mussten), es hat sich gelohnt. Cosmo war immer nur im Schlaf mit SIMV beatmet, ansonsten an der feuchten Nase. Seine Schlaflaborableitungen haben gezeigt, dass er nur vereinzelt zentrale Apnoen hat, aber insgesamt eine sehr geringe Atemfrequenz und flache Atmung im Schlaf bietet. Er entsättigt relativ langsam wenn er einschläft. Das machte ihn zu einem Kandidaten für nichtinvasive Beatmung.

Der erste Maskenbeatmungsversuch mit einer individuell angefertigten Maske aus Silikon scheiterte jedoch kläglich. Nach der Extubation vormittags, haben wir bis in den Abend versucht ihn mit der Maske zum Schlafen zu bringen, wogegen er sich jedoch gewehrt hat wie ein Stier. Unter der Gabe von Schlafmittel lies er sich zwar mit der Maske beatmen (positiv – es geht grundsätzlich!), riss sie sich aber runter und war dann völlig weg, so dass er bebeutelt werden musste – für mich ein traumatisches Erlebnis. Das erste Mal wurde ich mir der Gefährlichkeit dieser Krankheit so richtig bewusst. Bis dahin hatte ich ihn immer nur gut versorgt erlebt.

Danach hatten wir die schwere Entscheidung zu treffen, ob Cosmo gleich eine Tracheotomie bekommen solle oder erst noch ein Versuch mit Unterdruckbeatmung. Ich wollte nur noch Sicherheit für Cosmo, aber zum Glück konnten sich mein Mann und der Oberarzt durchsetzen und so hatte Cosmo noch eine Chance mit nichtinvasiver Beatmung. Nachdem sich Cosmo ein wenig erholt hatte, haben wir mit der Gewöhnung an die Unterdruckkammer begonnen.

Der Lindenhof arbeitet als eine von wenigen Kliniken in Deutschland mit einer Portalung. Dieses Gerät mutet auf den ersten Blick völlig befremdlich an und macht im Betrieb ein irres Geräusch. Berichte der Schwestern, dass gerade ganz Kleine sich darin wohlfühlen bzw. „danach verlangen” kamen uns absurd vor. Aber genauso hat Cosmo es angenommen! Während er mit Überdruckbeatmung immer sehr unruhig geschlafen hatte, so war er in seiner „Kiste” sofort viel ruhiger, eingelullt von dem monotonen Geräusch, dem Geruckel und der engen Lagerung. Ganz erstaunlich!

Nach etwa einer Woche Gewöhnung mit Tubus kam dann der Tag der Extubation, eigentlich der Tag, denn gerade die Unterdruckbeatmung steht und fällt mit dem Auftreten von Obstruktionen im Nasen-Rachenraum, was ja mit Tubus noch umgangen wird. Aber Cosmo hat es geschafft! Die Kinder wählen sich ihren Weg.

Nachdem die Beatmung mit der Unterdruckkammer sichergestellt war, haben wir parallel mit der sachten Gewöhnung an die Maske (Respironics CPAP Standardmaske) weitergemacht um nicht ans Haus gefesselt zu sein, transportieren lässt sich so eine Unterdruckkammer nämlich nicht im Kinderwagen.

Und auch die Maskenbeatmung funktionierte peu á peu immer besser. Herrlich, es ging voran! Der Pflegedienst wurde kontaktiert, die Entlassung rückte in erreichbare Nähe! Und dann der Rückschlag: Cosmo hatte plötzlich heftige Sättigungseinbrüche in der Kiste (bis in die 50er). Immer wenn man gerade das Gefühl hat, ein wenig entspannen zu können, dass Ruhe einkehrt oder man sich mit der Situation ein wenig auskennt, treten garantiert wieder neue Probleme auf. Jetzt hatten wir soviel Kraft gelassen und dann doch alles umsonst?

Letztendlich war es wahrscheinlich eine Mischung aus schlechter Konstitution (Cosmo war aufgrund einer begleitenden Darmproblematik immer mehr als zart), einer Kuhmilchallergie und Erschöpfung. Nach einer guten Woche des Bangens hat er sich wieder gerappelt und alles lief wieder prima.

Cosmo ist schließlich mit knapp fünf Monaten und einer Kombination aus Unterdruckbeatmung und Maskenbeatmung nach hause entlassen worden. Wir sind unendlich dankbar, dass wir ein so hervorragendes Team im Lindenhof hatten, das uns in dieser wichtigen Zeit exzellent betreut hat und es Cosmo und uns ermöglicht hat unseren Weg zu gehen.

Der Entlassungstag war Stress, aber auch ein Festtag! Endlich Cosmo rund um die Uhr bei uns zu haben, morgens zum Aufwachen, einfach in allen Lebenslagen! Aber auch fast immer Pflegedienst: Wir sind mit 16 Stunden Pflegedienst nach hause entlassen worden (kürzen kann man immer noch), was wir aber nicht lange ausgehalten haben. Inzwischen haben wir tägliche Nachtwachen mit 9 Stunden und zwei Mal in der Woche 6 Stunden vormittags. Das passt zu uns.

Zur Eingewöhnung kam erschwerend hinzu, dass sich Cosmo gleich einen Infekt von seiner großen Schwester eingefangen hat, weswegen wir dann nach drei Tagen schon wieder mit Blaulicht in die Klinik gefahren sind. Insgesamt hatten wir am Anfang ein ganz schönes hin und her, so dass wir insgeheim schon ein bisschen an uns gezweifelt haben, aber lieber einmal zu viel als einmal zu wenig in die Klinik!

Jetzt sind wir seit vier Wochen zu hause, Routine stellt sich ein und auch Erholung von der anstrengenden Zeit in der Klinik und einem notwendig gewordenen Umzug auf die Schnelle! Puh, was für ein Kraftakt! Jetzt haben wir endlich wieder Zeit alle zusammen, was für ein Luxus!