Morbus Hirschsprung und Undine

Der Morbus Hirschsprung (MH) ist eine angeborene Fehlbildung des Enddarms, bei der in einem unterschiedlich langen Abschnitt der Darmwand die Ganglienzellen vollständig fehlen. Die Inzidenz des Morbus Hirschsprung beträgt 1:5000. Jungen sind im Verhältnis von 1 :4 häufiger betroffen als Mädchen.

Der Morbus Hirschsprung entsteht früh in der Embryonalentwicklung. Ganglienzellen sind vergleichbar mit kleinen Gehirnen. Sie wandern während der Entwicklung des Kindes vom Gehirn aus in den Darm ein und erreichen in der 12. Schwangerschaftswoche den Anus. Je früher es zu einer Unterbrechung dieser Wanderung kommt, desto länger ist der Darmabschnitt in dem diese spezialisierten Zellen fehlen. Dieser Abschnitt des Darms wird als aganglionär bezeichnet. Nach dem derzeitigen Stand der Forschung tritt die Fehlbildung nur in einem kontinuierlichen Abschnitt des Darms auf. Das heißt, es gibt keinen Wechsel zwischen fehlgebildeten und regelrechten Darmanteilen.

In dem aganglionären Darm fehlt die Peristaltik, so dass eine funktionelle Engstelle entsteht. Oberhalb der unbeweglichen Darmschlinge staut sich der Stuhl und der gesunde Darm weitet sich auf. Diese Aufweitung des eigentlich regelrecht entwickelten Darms kann dramatisch sein, deshalb wurde der MH fälschlich nach dieser auffälligen Folgeerscheinung am gesunden Darm als Megakolon congenitum = angeborener Riesendarm benannt.

Bei Menschen mit Undine Syndrom ist die Wahrscheinlichkeit einen Morbus Hirschsprung zu haben, höher als in der allgemeinen Bevölkerung. Langstreckige Hirschsprung Varianten, bei denen der gesamte Dickdarm und Teile des Dünndarms ohne Ganglienzellen sind, treten bei Undine Syndrom häufiger auf.

Beim Neugeborenen ist der MH daran zu erkennen, dass die Kinder das Kindspech (Mekonium) nicht entleeren. Der Bauch des Kindes bläht sich auf, es will nicht trinken und erbricht.

Mit den richtigen Erstmassnahmen lässt sich diese kritische Lebensphase meistern. Darmspülungen und Medikamente, die den Stuhl wässrig machen (Makrogol), ermöglichen oft eine Operation in dieser Lebensphase zu vermeiden.

Die chirurgische Therapie des Morbus Hirschsprung hat sich durch die Weiterentwicklung der Operationstechnik und das moderne kinderchirurgische Management verändert. Werden die betroffenen Kinder medizinisch gut betreut, kann in den meisten Fällen auf einen entlastenden vorzeitigen Darmausgang, ein Stoma, verzichtet werden.

Durch die Verbesserung der chirurgischen und anästhesiologischen Technik ist ein früher Operationszeitpunkt in den ersten Lebenswochen ohne die Notwendigkeit eines Darmausgangs möglich.

Die Eltern werden geschult und auf die Bedeutung der regelmäßigen Entleerung hingewiesen. Zusätzlich lernen die Eltern typische „Alarmsignale“ wie Stuhlverhalt, ausladendes Abdomen, gluckernde Darmgeräusche, Fieber, Erbrechen, stinkende Stühle kennen. Die Eltern werden angeleitet und ermutigt von anal mit Trinkwasser den Darm zu spülen, um die Stuhlentleerung zu fördern.

Der chirurgische Eingriff, bei dem der fehlgebildete Darm entfernt wird, kann schonend durch das Poloch durchgeführt werden, ohne dass ein Bauchschnitt erforderlich ist.

Die Operation ist technisch anspruchsvoll und sollte unbedingt in einem Zentrum durchgeführt werden, in dem viel Erfahrung mit der Behandlung von Hirschsprung Patienten besteht.

Eine einseitige chirurgische Therapie ohne Anlage eines Enterostomas wurde bereits 1980 von So et al. vorgestellt.

In der Praxis hält sich jedoch die Ansicht, dass eine entlastende Kolostomie zur Tonisierung des sekundär megalisierten Kolons beiträgt und zum Schutz der Anastomose erforderlich ist, obwohl die aktuelle Literatur und die Resultate erfahrener Kinderchirurgen einstimmig dagegen argumentieren.

Die transanale Resektion ermöglicht die Entfernung langer Darmabschnitte, ohne dass die Bauchhöhle durch einen Schnitt eröffnet werden muss. Die Darmnaht liegt ausserhalb der Bauchhöhle nahe am Anus. Deshalb dürfen die operierten Kinder sofort nach der Operation trinken und es ist nicht erforderlich die Naht zu dehnen (bougieren).

Dieses Vorgehen erspart dem Patienten zwei Operationen (Anlage und Rückverlagerung des Darmausgangs), es ist nur eine Operation erforderlich.

Nach der Operation müssen die betroffenen Kinder, auch wenn alle operativen Schritte ohne Komplikationen verlaufen sind, weiter behandelt werden.

Es kann, trotz erfolgter Operation zu schweren Stuhlentleerungsstörungen kommen.

Manche Kinder haben sehr viele kleine Stuhlportionen am Tag, wodurch die Analhaut wund wird.

Andere Kinder setzten über mehrere Tage keinen Stuhl ab, bekommen einen geblähten Bauch und verlieren immer wieder kleine Stuhlmengen in die Unterhose oder Windel.

Für eine gute Stuhlentleerung ist es wichtig wahrzunehmen, dass der Darm mit Stuhl gefüllt ist.

Viele Kinder mit Morbus Hirschsprung und/oder Autismus haben große Probleme auf den gefüllten Darm richtig zu reagieren. Anstatt sich zu entspannen und den Darm zu entleeren, verkrampft sich das Kind und hält den Stuhl zurück. Dadurch wird die Situation für das Kind und seine Familie immer komplizierter; Stuhlgang wird zum beherrschenden Thema im Alltag.

Diese Probleme mit der Stuhlentleerung sind lösbar, wenn eine gute Nachsorge durchgeführt wird. Die Betroffenen können mit Hilfe eines Darmspülungs- und Trainingsprogramms erlernen den Darm regelmäßig und kontrolliert zu entleeren.

 

Der vorstehende Text wurde  übermittelt von:

Oberärztin Dr. med. Stefanie Märzheuser
Klinik und Poliklinik für Kinderchirurgie
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Mit folgender Selbsthilfegruppe arbeiten wir zusammen:

www.soma-ev.de
SoMA ist eine Initiative für Menschen mit Anorektal-Fehlbildungen, Morbus Hirschsprung und Kloakenekstrophie

Ansprechpartnerin ist Frau Sabine Alexander.