Aaron, 3 Jahre
Aaron kam am 19.01.1997 zur Welt. Nach einer unkomplizierten Schwangerschaft kam er genau rechtzeitig. Es war eine schwierige Geburt und Aaron musste zuletzt mit der "Zange" geholt werden. Als unser Sohn auf Isgard`s Bauch gelegt wurde, fiel mir auf daß er blau wurde - dann ging alles los. Aaron atmete nicht richtig, der Kindernotarzt wurde geholt und Aaron wurde mit CPAP-Maske auf die Intensivstation gebracht. Dort musste er kurze Zeit später intubiert werden.
Schon nach recht kurzer Zeit (ca. 2 Wochen) wurde die Verdachtsdiagnose "Undine-Syndrom" gestellt. Es folgten verschiedene erfolglose Versuche die Atmung medikamentös zu stimulieren. Einmalig wurde ein Extubationsversuch gemacht. Aaron wollte nicht trinken und wurde über eine Magensonde ernährt. Dann entwickelte er Probleme mit dem Stuhlgang, er musste immer wieder mit einem Darmrohr abgeführt werden. Nach verschiedenen Untersuchungen wurde dann auch die Diagnose Morbus Hirschsprung gestellt. Diese Darmerkrankung findet man in bis zu 15-20% bei Undine-Syndrom. Nach 3 Monaten auf der Intensivstation wurde unser Junge dann operiert. Er bekam ein Tracheostoma und einen künstlichen Darmausgang (Anus praeter). Zwischendurch hatte er immer wieder Infektionskrankheiten.
Bronchitiden, Lungenentzündungen und Darminfektionen machten ihm das Leben schwer. Eine Lungenentzündung war sehr schwer und Aaron wäre beinahe gestorben. Nur eine "oszillierende Beatmung" über 24 Stunden rettete unserem Sohn das Leben. Für uns Eltern war es eine sehr harte Zeit. Isgard verbrachte den ganzen Tag bei unserem Sohn in der Kinderklinik und ich fuhr abends nach der Arbeit hin. Die Ärzte und die Schwestern dort waren sehr bemüht um unser Kind. Trotzdem merkte man, daß vor allem die Ärzte mit dem Krankheitsbild oft überfordert waren. Vielleicht lag das auch an mir, weil ich als Arzt ununterbrochen Fragen stellte und mich natürlich selbst so gut es ging über die Erkrankung informierte.
Wir wurden ganz behutsam an unseren neuen Aufgaben herangeführt. Magensonde legen, füttern mit der Spritze, Anus praeter Pflege, Beutelwechsel, Tracheostomapflege, Trachealkanülenwechsel, absaugen, an die Beatmungsmaschine anschließen, die Beatmung anpassen, der Umgang mit dem Pulsoxymeter und der Sauerstoffflasche ...
Vor allem für Isgard war alles ganz neu und schwierig zu verstehen. Parallel dazu führten wir den Kampf mit der Krankenkasse. Unser Ziel war es Aaron so schnell wie möglich zu uns nach Hause zu holen. Das bedeutete aber eine große finanzielle Anstrengung für unsere Krankenversicherung. Es mußten Geräte im Wert von vielen tausend Mark gekauft werden, es mußte ein Pflegedienst finanziert werden etc. Die Intensivstation in unserer Stadt hat einen relativ günstigen Tagessatz, daher hatte unsere Krankenkasse kein Interesse das Nachhausekommen unseres Sohnes zu ermöglichen. Nach langen und zähen Gesprächen und sehr viel Eigeninitiative schafften wir es schließlich und Aaron kam nach 9 Monaten Intensivstation zu uns nach Hause. Hier sei noch anzumerken, daß der "Soziale Dienst" unserer Kinderklinik, der eigentlich dafür da sein sollte Eltern bei solchen schwierigen Aufgaben zu helfen, völlig versagt hat.
Mit unserer Krankenversicherung sind wir, nach den schweren Anfangsschwierigkeiten nunmehr sehr zufrieden. Seit März 1998 nimmt Aaron flüssige und pürierte Nahrung zu sich. Die Magensonde braucht er nicht mehr. Feste Nahrung lehnt er bis heute noch ab. Im Sommer 1999 wurde sein künstlicher Darmausgang zurückverlegt und Aaron macht jetzt Kaka wie andere Kinder auch. Noch ist er nicht sauber und der Po hat sich anfänglich furchtbar entzündet, aber alles wird langsam besser. Wir haben Aaron bei Herrn Prof. Dr. Waag in Mannheim operieren lassen. Er hat ihn laparoskopisch operiert - also mit ganz kleinen Schnitten und es ist wirklich gut gegangen. Prof. Waag kann ich nur empfehlen.
Seit Aaron Zuhause ist, haben wir ihn nicht mehr stationär in der Klinik behandeln lassen müssen. Das liegt zum einen daran, daß wir von unseren Kinderärzten Zuhause sehr gut betreut werden und auch ein immer zuverlässiger Arzt in unserer Kinderklinik ansprechbar ist, der uns mit Rat und Tat zur Seite steht, zum anderen daran, daß wir gerade in den ersten Jahren immer sehr frühzeitig auf Krankheitszeichen von Aaron reagiert haben. Er hat viele Antibiotika bekommen, vielleicht zu viele, immer wieder brauchte er Sauerstoff und mußte teilweise auch wach beatmet werden (normalerweise muß er nur im Schlaf mit der Maschine beatmet werden).
Die ersten Monate war er ständig an der pulsoxymetrischen Überwachung und wir konnten nur mit Pulsoxy, Sauerstofflasche, Beatmungsbeutel und unserem "Notfallset" zusammen spazieren gehen. Unser Bewegungsradius war sehr eingeschränkt. Je älter er wurde, um so stabiler wurde er, um so seltener brauchte er Sauerstoff, um so seltener schlief er ein. schließlich konnten wir Tagesausflüge mit Ihm machen. Das Leben mit unserem Sohn hier Zuhause ist schön und anstrengend zugleich. Oft gibt es lange Durstphasen wo weder Isgard noch ich mehr Reserven haben. Phasen in denen uns der Alltagsstreß mit all unseren Sorgen, Pflichten und Ängsten überfordert. Phasen in denen wir uns alleine gelassen fühlen. Zeiten in denen uns unser guter Pflegedienst auf die Nerven geht, Tage an denen wir auch einmal nachts alleine in unserer Wohnung sein wollen.
Aber es gibt eben auch die anderen Tage. Jeden Tag sehen wir wie sich unser Sohn entwickelt, wie er fröhlich und gut gelaunt durch`s Leben geht, wie ihm jeder Tag Spaß macht. Und wir sehen jeden Tag daß sich dafür jede Anstrengung lohnt. Mittlerweile haben wir unser Auto umrüsten lassen. Wir können jetzt ein Beatmungsgerät und ein zweites Gerät ( z.B. Pulsoxy) gleichzeitig im Auto betreiben und Aaron im Notfall problemlos beatmen und überwachen. Besuche bei unseren Eltern 200km entfernt sind kein größeres Problem mehr und wir waren auch schon mit ihm in Spanien. Es gibt noch sehr viel zu erzählen, doch denke ich daß bei konkreten Fragen der direkte Weg (sprich Telefon oder email) wohl der Bessere ist.