Konrad, 2 Jahre

Unser Sohn Konrad ist unser zweites Kind, seine Schwester Katharina ist 4 ½ Jahre alt. Meine Schwangerschaft mit Konrad verlief bis auf ein paar silente CTG's und Polyhydramnion (viel Fruchtwasser) normal. Ich habe Konrad ambulant entbunden. Es war eine schöne ruhige Geburt in einem Gebärzimmer mit unserer Hebamme und Konrad wurde nach wenigen Stunden spontan geboren. Außer dass Konrad sehr ruhig war und nicht gleich getrunken hat, war er nicht auffällig. Am nächsten Tag hatte er immer noch nichts getrunken und schlief fast die ganze Zeit. Unsere Hebamme war etwas beunruhigt und wir sind mit Konrad auf die Kinderintensivstation gefahren.

Im Krankenhaus ist nach ein paar Stunden aufgefallen, dass Konrad weniger schnauft und er wurde nach vielen Bluttests, CT's, MRT's, EKG's und EEG's die alle negativ waren intubiert. Für uns brach natürlich eine Welt zusammen. Nach schon 2 Tagen hörten wir zum ersten Mal das Wort Undine Syndrom und wir hatten große Angst vor einem Tracheostoma und den Folgen. Obwohl die Hoffnung klein schien es mit einer Nasen-CPAP-Maske zu schaffen, wollten unsere Ärzte nichts unversucht lassen. Nach drei Wochen wurde Konrad das 1. Mal extubiert und als er die ersten 50ml aus der Flasche getrunken hatte und ich das 1. Mal seine leise Babystimme gehört hatte musste ich weinen.

Konrad wurde einige Wochen mit einer individuell angepassten Maske aus Silikon beatmet und erst dann haben wir unsere jetzige Maske entdeckt, mit der alles viel besser klappte und die nicht immer verrutschte. Die Wachphasen wurden länger und damit seine nicht beatmeten Phasen. Wir hätten Konrad bereits nach sechs Wochen mit nach Hause nehmen können, wenn da nicht das Problem Krankenkasse gewesen wäre. Einen Pflegedienst hatten wir bereits gefunden. Ich habe nichts unversucht gelassen um den Bescheid der Krankenkasse zu beschleunigen, weil unsere familiäre Situation unerträglich geworden war. Katharina mußte versorgt werden, mein Mann mußte wieder arbeiten und Konrad sollte eine Bezugsperson haben. Wir waren nirgends und überall zugleich, mußten auch noch umziehen, weil wir mehr Zimmer brauchten und einen Garten um Konrad nach draußen zu nehmen.

Nach 3 Monaten unerträglichem Warten hatten wir endlich Bescheid und Konrad durfte nach Hause - ein unsagbar glückliches Erlebnis. Wir hatten natürlich erstmal 24 Stunden Pflegedienst im Haus mit viel Personalwechsel und Konrad war anfangs sehr still. Er hat schlecht getrunken, ich konnte ihn nur noch drei Mal stillen - mehr Milch hatte ich nicht mehr. Sein "Ankommen" hier ging langsam, obwohl er sich gut entwickelte, lachte, greifen und sich drehen lernte und das ohne viel Krankengymnastik. Als er fünf Monate alt wurde, konnten wir das Pulsoxymeter tagsüber weggelassen und Konrad fing endlich an sich bei uns Zuhause zu fühlen und die Verwirrung im Krankenhaus hinter sich zu lassen. Mit 8 Monaten fing er an zu krabbeln, mit 13 Monaten zu laufen. Von unserem ruhigen introvertiertem Konrad war bald nichts mehr übrig und er wurde zunehmend lauter und willensstärker, worüber wir uns sehr gefreut haben.

Das erste Jahr war recht anstrengend. Konrad hatte oft Fieber und atmete dann auch wach (zu) wenig, so dass wir das Fieber immer senken mussten. Er hatte oft Schnupfen und Husten. Konrad durchlebte zwei Bronchitisse und eine Lungenentzündung, so dass er mehrmals ein paar Tage ins Krankenhaus musste und zweimal auch eine Sauerstoffbrille brauchte. Seine Infektanfälligkeit hat mit Beginn einer homöopathischen Behandlung ziemlich schnell nachgelassen und so hatte Konrad jetzt seit fast einem Jahr keinen größeren Infekt mehr. Schnupfen wirkt sich an der Beatmungssituation kaum aus - wir inhalieren dann im System regelmäßig mit Emsersalz. Bei Husten ist es schwieriger, weil er dann durch die Beatmung ständig einen Hustenreiz hat und "zumacht". Wir haben seit Konrad zu Hause ist sehr auf sozialen Kontakt geachtet. Durch Katharina waren immer jede Menge Kinder im Haus, Konrad war mit ½ Jahr in einer Krabbelgruppe und seit er 1 ½ ist er im Kinderturnen. Ich habe Konrad nie vor Kindern fern gehalten die Infekte hatten, sondern bin z.T. das Risiko einer Ansteckung eingegangen. Ich bin mir sicher, dass der soziale Aspekt seine Entwicklung mehr gefördert hat als die Infekte ihn zurückgeworfen haben.

Seit Katharina im Kindergarten ist habe ich morgens oft noch ein gleichaltriges Tageskind bei uns Zuhause. Konrad hat sehr viel von anderen Kindern mitgenommen. Auch Peter und ich haben darauf geachtet die Kontakte zu unseren Freunden aufrechtzuerhalten und so haben wir sehr viel Verständnis und Hilfe bekommen. Inzwischen lasse ich Konrad alleine zu den Nachbarn gehen, er geht mit Opa und Oma alleine in den 5 km entfernten Luisenpark - natürlich haben alle unsere kleine Sauerstoffflasche dabei und ich bin immer zu erreichen. Konrad hat problemlos in Katharinas Kindergarten einen Platz bekommen. Da ich zur gleichen Zeit zwei Mal wöchentlich eine Spielgruppe in den Nachbarräumen des Kindergartens leiten werde, bin ich anfangs immerhin an zwei Vormittagen sofort zur Stelle, wenn die Erzieherinnen Hilfe brauchen. Im ersten Jahr haben wir unser Zweitgerät in unserem Kinderwagen überall hin mitgenommen und waren dadurch mobil. Alles in allem wog der Kinderwagen zusätzlich nur 8kg mehr (Beatmungsgerät, Maske, kleine Sättigung, kleine Sauerstoffflasche, kleine Motorradbatterie) und wir konnten, außer wenn es richtig kalt wurde, Konrad im Auto und im Kinderwagen beatmen.

Zwar mussten wir unsere Aktivitäten immer zusammen unternehmen, konnten aber bei vielen Ausflüge mit unseren Freunden dabeisein. Als Konrad sechs Monate alt war, haben wir bei unseren Eltern Zuhause einen Kinderkrankenpflegedienst gefunden, der uns bei unseren Heimfahrten übers Wochenende betreute und so können wir auch Daheim gut übernachten. Als Konrad 1 ½ wurde sind wir im Sommer auf einen Bauernhof ins Allgäu gefahren und wurden von einem dort ansässigen Pflegedienst betreut. Diese zwei Wochen waren für uns ein riesiger Erfolg an neu gewonnener Freiheit und wir haben ihn sehr genossen - nicht zuletzt, weil Opa und Oma dabei waren, die Konrad und Katharina unermüdlich durch die Ställe hinterherliefen und Peter und ich dadurch das erste Mal wieder Zeit für uns hatten. Unseren Pflegedienst haben wir nun zum dritten Mal gewechselt und die Pflegekräfte waren zeitweise unser größtes Problem. Insgesamt hatten wir bereits an die 50 verschiedene Leute. Jetzt haben wir tagsüber ein Tagesmutter die auch Krankenschwester ist und so nahe bei uns wohnt, dass Konrad hin und wieder zu ihr gehen kann und dort auch schläft (das Gerät nehmen wir mit). Inzwischen ist es mir lieber ich bleibe während dem Mittagsschlaf selbst bei Konrad und habe dafür weniger Leute im Haus. Ich kann mich sogar zu ihm ins Bett legen und auch schlafen, wenn ich den Alarm laut stelle. Wir haben uns von einem Freund einen Fernalarm bauen lassen, der bei uns im Schlafzimmer Alarm gibt, wenn eine Nachtwache einschläft. Dieser Fernalarm ist für uns sehr wichtig geworden, weil dies nicht selten vorkommt.

Außerdem haben wir die Software zu unserem Sättigungsgerät, das wir nach jeder Nacht auslesen können. Dies hat sich schon sehr bewährt, da wir einige katastrophale Nächte mit schlechten Sättigungen herausholen konnten und auf die Nachtwache entsprechend reagieren konnten. Man glaubt gar nicht, was manche Nachtwachen so alles anstellen können. Die Kontrolle der Nächte ist bei Konrad besonders wichtig, da Konrad die Maske nur im Tiefschlaf akzeptiert. Sobald er in eine leichtere Schlafphase kommt, reißt er sie sich vom Gesicht und schnauft dabei aber nicht immer gleich gut. So gibt es sehr viel Phasen nachts, in denen er nur Sauerstoff vorgehalten kriegt, ohne Maske schnauft oder die Beatmung weil er dagegenpresst auf CPAP + Sauerstoff geschaltet wird. Seine Beatmung erfordert sehr viel Feeling und das Maskenaufsetzen sehr viel Fingerspitzengefühl und wer das nicht hat, kann nicht bleiben, weil die CO2's oder Sättigungswerte nicht akzeptabel sind. Die Drücke und Frequenzen lagen als er noch ein Baby war zwischen 18 und 23 mbar bzw. Atemzüge, inzwischen braucht er Drücke zwischen 12 und 14 mbar und Frequenzen zwischen 10 und 13 Atemzügen. Seine spontane Atemzeit beträgt nachts zwischen drei und fünf Stunden.

Wir sind mit Konrads Entwicklung und unserem Leben mit einem kranken Kind zufrieden. Ich glaube wir haben oft gekämpft, aber es hat sich gelohnt. Natürlich hadere ich immer damit mit meinen Kindern nicht "frei" zu sein, sondern immer abhängig von Pflegediensten oder einer zweiten Person. Natürlich ist jede Krankheit eine langwierige Sache, die dann viel Geduld erfordert. Die Mobilität innerhalb unserer Stadt ist kaum ein Problem. Natürlich muss ich Rücksicht darauf nehmen, ob Konrad geschlafen hat und kann mich hauptsächlich mittags verabreden. Kleinere Reisen zu entfernter gelegenen Orten oder Tagesausflüge sind immer schwierig. Aber inzwischen traue ich mich auch mit den Kindern nach dem Mittagschlaf alleine zu meinen Eltern zu fahren, die 200km weit weg wohnen. Man muss sich an ein sehr geregeltes Leben gewöhnen - für Spontanität ist nicht viel Platz, aber angesichts dieser "schweren" und gefährlichen Krankheit, bei der Minuten entscheidend werden können sind die Einschränkungen im Rahmen, vor allem wird mit zunehmendem Alter vieles einfacher.